Depressionen

Unter Depressionen versteht man eine Gemütslage, die mit Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Interessenverlust sowie Energie- und Antriebslosigkeit einhergeht. Der Unterschied zwischen einer depressiven Erkrankung und einer kurzzeitigen Verstimmung, die vermutlich fast jeder kennt, liegt in Dauer, Art und Intensität der Beschwerden. Von einer behandlungsbedürftigen Erkrankung wird ausgegangen, wenn die Symptome mindestens zwei Wochen andauern.

Die Ursachen umfassen biologische, psychische und soziale Faktoren. Die Erkrankungswahrscheinlichkeit beeinflussen:

  • neurobiologische Grundausstattung eines Menschen
  • frühe Kindheitsentwicklung
  • aktuelle seelische Belastungen

Wie der 2006 erschienene Bericht „Gesundheit in Deutschland” (www.rki.de) aufzeigt, sind laut Krankenstatistiken etwa doppelt so viele Frauen wie Männer von einer depressiven Erkrankung betroffen. „Betrachtet man einen Zeitraum von zwölf Monaten, durchleben 15 Prozent der Frauen und 8,1 Prozent der Männer irgendwann innerhalb eines Jahres eine depressive Phase.” (S. 29)

Ein solcher Geschlechtsunterschied ist jedoch auf Grund weiterer Erkenntnisse der letzten Jahre zu hinterfragen:

  • Bei den Männern fällt ein Widerspruch in den Statistiken auf: Depressionen werden zweimal häufiger bei Frauen diagnostiziert.
    Dreimal mehr Männer als Frauen begehen Selbstmord. Hinzu kommt, dass auch andere Todesursachen suizidverdächtig sind. Hier spielen vor allem Unfälle eine wichtige Rolle, von denen wiederum auch die Männer deutlich häufiger betroffen sind. Wenn wir uns dann vor Augen führen, dass bis zu 75% aller Selbstmorde einen depressiven Hintergrund besitzen, scheinen Depressionen bei Männern deutlich unterdiagnostiziert zu sein.
  • Für diese These spricht weiterhin, dass Depressionen insgesamt zu wenig festgestellt werden. Studien zeigen, dass nur etwa 50 % der Männer, die mit Depressionen zum Hausarzt gehen, auch entsprechend diagnostiziert werden. Bei Frauen sind es mit 60 % ebenfalls wenig.
  • Der geschlechtsspezifische Unterschied wird noch größer, wenn wir folgendes betrachten: Männer nehmen bei sich sehr viel seltener psychische Erkrankungen wahr und akzeptieren sich dann oft auch nicht als „psychisch krank”. Befragt man bereits als depressiv diagnostizierte Frauen und Männer, so zeigen sich deutliche Geschlechtsunterschiede: Frauen akzeptieren ihre Erkrankung und bezeichnen sich selbst als depressiv. Männer tun dies signifikant seltener. Aber sie sind in ihrer depressiven Erkrankung deutlich hoffnungsloser (!) als Frauen.
  • Männer leiden im Allgemeinen stärker unter Trennungen als Frauen. Trennungen gelten jedoch als wichtiger Auslöser für Depressionen, so dass offensichtlich mehr Männer an Depressionen erkranken, als uns Statistiken vermitteln. Dies deutet auf eine Unterdiagnostik von Depressionen bei Männern hin.
  • Männer sind häufiger von Suchterkrankungen betroffen, deren Auslöser wiederum oft Depressionen sind.

Diese Befunde lassen erkennen, dass die häufigste psychische Erkrankung, die Depression, bei Männern stark unterschätzt wird. Man muss davon ausgehen, dass sie mindestens genauso häufig betroffen sind wie Frauen – auch wenn die Statistiken dies derzeit nicht bestätigen können. Hier zeigt sich etwas typisch Männliches: Ärzte – aber auch die Männer selbst – nehmen psychische Probleme erst dann wahr, wenn sie etwas „Handfestes” vorzuweisen haben. Wenn ihre Symptome also entweder so massiv auftreten, dass sie sie nicht mehr leugnen können, oder sie in körperliche Krankheiten übergehen.

Auf sexuellem Gebiet können Depressionen die Ursache – aber auch die Folge – von Impotenz sein. Depressive Verstimmung kann zu mangelndem sexuellem Interesse und zum geringeren Steifwerden des Schwanzes führen. Die Erfahrung mangelnder Erektion löst bei Männern wiederum oftmals Rückzug und Depressionen aus, was in der Folge zu dauerhafter Impotenz führen kann.

Dr. Matthias Stiehler

weiterführende Links:

Gesundheitsbericht 2006 „Gesundheit in Deutschland” (pdf)
www.rki.de

BLICKPUNKT DER MANN – Wissenschaftliches Journal für Männergesundheit 2/2006
Themenheft „Depression und Suizidalität des Mannes”
www.kup.at

weiterführende Literatur:

Manfred Wolfersdorf: Psychische Erkrankung und männliches Geschlecht
In: Matthias Stiehler, Theodor Klotz (Hg.): Männerleben und Gesundheit. Eine interdisziplinäre, multiprofessionelle Einführung. Juventa Verlag 2007

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