Romantik

Romantik bezeichnet zunächst eine kulturgeschichtliche Epoche, die sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf den Gebieten der bildenden Kunst, der Literatur und der Musik entwickelte. Sie entstand, um der vernunftgerichteten Philosophie der Aufklärung und der Strenge des Klassizismus entgegenzuwirken und stellte Gefühle, Sehnsucht, Mysterium und Geheimnis in den Vordergrund. Der Wunsch nach Verbundenheit ist Romantikern ein Herzenswunsch, und so bezeichnet der Begriff “Romantik” im heutigen Sprachgebrauch eine Sache, die das Herz mit Liebe und Sehnsucht erfüllt. Das können eine romantische Musik, ein romantischer Ort, ein romantischer Brief, eine romantische Liebe oder einfach ein romantischer Abend sein – wichtig ist eine von Verbundenheit geprägte Atmosphäre.

Romantische Liebe

Eine romantische Liebe hat etwas Zauberhaftes an sich. Die Welt ist schöner, beschwingter und rosarot. Romantik wird häufig in der Phase des Verliebtseins empfunden. In dieser Zeit reagiert der Körper mit der Ausschüttung von chemischen Botenstoffen. Nach Angaben der Neurobiologie sorgen Neurotrophine für Euphorie am Beginn einer Liebesbeziehung. Die Neurotrophin-Werte von Frischverliebten sind signifikant höher als von Paaren, die schon länger Zweisamkeit leben. Diese veränderten Hirnprozesse sorgen dafür, dass der Verstand regelrecht benebelt ist und sich Menschen in einem Rausch von Glückszuständen befinden. Alles dient von Seiten der Natur zur Erhaltung der Art. Etwa nach einem Jahr pegeln sich die Werte auf Normalniveau ein. Die Botenstoffe haben ihre Wirkung erzielt: zwei Menschen sind vereint, die Voraussetzungen für die Fortpflanzung ist geschaffen. Es sind dann in der Regel nicht mehr zwei durch den Rausch der Liebe benebelte Menschen, sondern zwei nüchtern denkende Partner, die sich mit kühlem und klaren Kopf der Betreuung des Nachwuchses widmen könnten.

Diese “natürliche” Reihenfolge setzt in unserem Kulturkreis eher selten ein. Die große Nähe des ersten Beziehungsjahres wird häufig zum Maßstab für die weitere Partnerschaft genommen. Eifersucht, Enttäuschung und Trennung sind mit dieser “Messlatte” vorprogrammiert.

Ängstliche Menschen neigen zur Romantik

Sozialpsychologen unterscheiden verschiedene Liebesstile: romantisch (!), besitzergreifend, freundschaftlich, spielerisch, pragmatisch, altruistisch. Diese Liebesstile sind auch in Abhängigkeit von der frühkindlichen Bindung untersucht worden. Deutlich wird, dass besonders ängstliche Menschen zur romantischen Liebe neigen. Gegenüber sicheren, ablehnenden oder besitzergreifenden Typen sind sie immer stark mit ihrer Partnerschaft beschäftigt, idealisieren ihren Partner und zeigen ein hohes Maß an Eifersucht.

Ängstlichkeit korreliert auch besonders mit dem “Hang zur romantischen Liebe” und der Sehnsucht nach der Idealbeziehung, die sich jedoch zumeist nicht erfüllt. Die frühen Beziehungserfahrungen sind bei ängstlichen Menschen von Vernachlässigung, Misstrauen, Störungen, traumatischen oder fortwährenden Trennungen genauso wie möglicherweise von Verwöhnung, Überbehütung, Manipulation usw. gekennzeichnet. Die Eltern waren dabei nicht ausreichend in der Lage, das Kind um ihrer selbst willen zu lieben, anzunehmen und empathisch auf seine Gefühle einzugehen. Solche frühen Bindungserfahrungen (man spricht auch von “inneren Arbeitsmodellen”) hinterlassen ein lebenslanges Defizit, das nicht auszugleichen, jedoch zu identifizieren und zu differenzieren ist.

Mit dieser lebensgeschichtlichen Einordnung kommt die romantische Liebe nicht gut weg. Genau deswegen wäre es sinnvoll, einige Schleier zu lüften und zu definieren, was die Liebe zwischen Partnern ausmacht, welche Erwartungen an Beziehung sich erfüllen können und welche nicht. Wenn das klar ist, kann auch den romantischen Momenten der Platz eingeräumt werden.

Dr. Sabine Stiehler

weiterführende Literatur:

Hans-Joachim Maaz: Die Liebesfalle. Beck Verlag München 2007

Astrid Riehl-Emde: Kann denn Liebe Sünde sein? Paarforschung und Paartherapie entdecken ein neues Gebiet. In: PiD Psychotherapie im Dialog, Heft 2/2000, 76 – 80

Jürg Willi: Was hält Paare zusammen? Rowohlt Taschenbuch-Verlag Reinbeck 1993

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