Sadomasochismus (BSDM)

„RUF MICH AN”

befiehlt uns die Peitsche schwingende Domina in Leder und Overknees in der allseits bekannten TV-Werbung. Während die Einen sich irritiert fragen: „Was soll das?” und die anderen belustigend kichern, erstarren einige fast vor Ehrfurcht. Und genau darum geht es!

Interesse soll geweckt werden für einen besonderen Bereich der Sexualität, den LiebhaberInnen von SM, oder richtiger BSDM, hauptsächlich im privaten Bereich ausleben, also innerhalb einer Beziehung mit dem entsprechenden Gegenpart.

Der Name BDSM beschreibt gut das mögliche Spannungsverhältnis. Die Abkürzungen stehen für „Bondage & Discipline, Dominance & Submission, Sadism & Masochism”, also Fesselung & Disziplinierung, Beherrschung & Unterwerfung, Sadismus & Masochismus.
Während man früher SM als eine sexuelle Störung betrachtete, hat sich die Einstellung mit dem zunehmenden Wissen darüber, dem Lüften von Klischees und Vorurteilen, einigen wissenschaftlichen Untersuchungen deutlich gewandelt. BDSM steht heute neben vielen anderen Vorlieben als gleichberechtigte sexuelle Präferenz von Menschen aller Orientierung – von hetero- und homosexuellen Männern, Frauen und Transgendern und in verschiedenen Ausprägungen und Intensitäten.

Doms (oder auch Tops, der dominante Partner) und Bottoms (oder auch Sub genannt, der devote) lassen sich aus der Gleichberechtigung heraus auf ein Machtgefälle und ein besonderes Spannungsfeld von Lust oder Befriedigung durch die Zufügung oder das Erleben von Schmerzen, Macht oder Demütigung, Erniedrigung und Unterwerfung ein; der Bottom gibt einen Teil seiner Autonomie auf und übergibt sie dem Dom, wobei beide daraus einen Lustgewinn erzielen. Es kann ein sowohl aktives, kontrollierendes als auch passives Erleben sein und erfolgt immer einvernehmlich. Dazu gehört die Absprache, bei einem bestimmten Safeword das Spiel sofort zu beendigen. (Somit ist deutlich die Abgrenzung zu strafbaren Handlungen wie Körperverletzung (§ 223 StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB) gezogen.)

Rollenspiele bilden gern den Rahmen für eine feste Zeitspanne und eine bestimmte Spielsession. Dabei werden Rollen (oft nach einem aufwendigen und klar vorgegebenen Drehbuch) eingenommen, gespürt und erlebte Situationen nachempfunden und sogar für das Alltagsleben aufgelöst oder erträglicher gemacht. Erniedrigung und Unterwerfung, Abhängigkeit und Grenzziehung, Erziehungsspiele, Nähe und Distanz werden bewusst im Setting erlebt. Hier steht die psychische neben der körperlichen Komponente im Vordergrund, während der Geschlechtsverkehr oft keine oder eine untergeordnete Rolle einnimmt.

Partys und Events auf legendären Schlössern und in bekannten SM-Clubs bieten neben der Gelegenheit seinen Exhibitionismus oder Voyeurismus auszuleben, auch die Chance mit weiteren Partnern oder in Gruppen zu spielen und die unterschiedlichsten Geräte wie das Andreaskreuz, Käfige, Strafböcke oder Slings (Schaukeln) in die Interaktionen einzubeziehen. Natürlich ist dies auch eine ideale Gelegenheit, mit raffinierter Kleidung aus Gummi, Lack, Leder oder Latex und unterstreichenden Accessoires, wie Paddles, Halsbänder, Knebel entsprechend dem Dresscode seine Vorlieben zu demonstrieren und vielleicht ergänzend einen Fetisch auszuleben.

Die Varianten sind zahlreich

  • Der Dom fesselt die Bottum kunstvoll mit einem Hanfseil am ganzen Körper, „bedeckt” sie sozusagen damit und bindet sie letztendlich an einen Galgen, um so die totale Macht über sie zu spüren, Kontrolle auszuüben und ihr das Gefühl der Unbeweglichkeit und Abhängigkeit zu geben.
  • Die Domse schlüpft nach einem vorliegenden Regieplan in die Rolle der Lehrerin, um den Schüler wegen Störungen im Biologieunterricht zu „bestrafen”. Dafür muss er die Stunde bei ihr Zuhause nachholen, bekommt Schläge mit dem Rohrstock für falsche Antworten und erhält zudem praktische Unterweisungen in weiblicher Anatomie.
  • Die Domse führt ihren Bottom, gekleidet in einem Ganzkörperlackanzug und gefesselt mit Ketten als Sklaven durch die Straßen oder nimmt mit ihm an einer öffentlichen Veranstaltung teil.

BSDM fußt auf eine lange Tradition. Schon vor Christi lebten die Griechen und Römer einzelne Spielarten aus, was Abbildungen auf Vasen und Wänden heute noch belegen. Das Kamasutra beschreibt SM-Praktiken, wie auch die europäische Literatur des 18. Jahrhunderts. Es scheint in allen Epochen und Kulturen eine Variante der Sexualität gewesen zu sein. Wobei die neuere, männlich-schwule Lederbewegung, neben dem lesbischen Flügel des Feminismus zuletzt viel zur Aufklärung und Anerkennung beigetragen hat.

BDSM scheint salonfähig geworden zu sein, wenn man die Clubs in den großen Städten, den Angeboten im Internet, der Aufmerksamkeit von einschlägigen Büchern und dem Verkauf von entsprechenden Utensilien in Sexshops so verstehen will – sie können aber auch Ausdruck des liberalen Umgangs in der Gesellschaft damit sein, was sicher dem mutigen „Coming-out” von SMlern zu verdanken ist.

Die Peitsche schwingende Domina steht jedenfalls für den kommerziellen Bereich des BDSM. Sie bietet bizarr-erotische Dienstleitungen in z. T. pompös und variantenreich ausstaffierten Studios an. Obwohl sie nur für einen kleinen Bereich einer vielfältigen (Sub-) Kultur des BDSM steht, hat sie es zumindest in das alltägliche Fernsehprogramm geschafft und regt damit auch ein Interesse an, sich andernorts seriöser, breiter und sympathischer zu informieren. Und: vielleicht der eigenen Leidenschaft und Versuchung zu folgen.

Stephanie Klee (highLights-Agentur, Berlin)

weiterfühernde Literatur:

Volkmar Sigusch, Sexualitäten, Eine kritische Theorie in 99 Fragmenten, 2013

E. L. James: Shades of Grey, Trilogie, 2011

Christoph Brandhurst: Kinky Sex. Ratgeber, 2011

Arne Hoffmann: Lexikon des Sadomasochismus, 2004

Venus im Pelz von Leopold von Sacher-Masoch

Dominique Aury (unter dem Pseudonym Pauline Réage): Geschichte der O (steht auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien)

Film: 9 ½ Woche

weiterführende Links:

Wikipedia:
http://de.wikipedia.org/wiki/Sadomasochismus

Bundesvereinigung Sadomasochismus e.V., Berlin:
www.bvsm.de

 

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